[745]Editorischer Bericht
Zur Entstehung
Am Abend des 25. Oktober 1917 hielt Max Weber vor der „Soziologischen Gesellschaft“ in Wien einen Vortrag über „Probleme der Staatssoziologie“. Der Vortrag bietet eine kurze und allgemeinverständliche Einführung in die Herrschafts- und Staatssoziologie. Zunächst grenzt Max Weber die spezifisch soziologische Zugangsweise von der juristischen ab; damit knüpft er einerseits an die Diskussionen von 1909 mit Georg Jellinek an und greift andererseits die Thesen des Wiener Staatsrechtslehrers Hans Kelsen auf.
1
Danach stellt Weber die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft vor, die er hier zum ersten und einzigen Mal in seinem Werk um einen „vierten Legitimitätsgedanken“ erweitert.[745] Zu Georg Jellinek vgl. die Einleitung, oben, S. 11 f. Hans Kelsen war Ausschuß-Mitglied der Wiener Soziologischen Gesellschaft (vgl. Hainisch, Michael, 75 Jahre aus bewegter Zeit. Lebenserinnerungen eines österreichischen Staatsmannes. – Wien, Köln, Graz: Hermann Böhlau 1978, S. 162 f.) und hatte dort 1911 seinen Vortrag „Über Grenzen zwischen juristischer und soziologischer Methode“ gehalten (vgl. dazu die Einleitung, oben, S. 12 f.), wurde aber im Oktober 1917 bei den namentlich genannten Zuhörern des Vortrags von Max Weber nicht aufgeführt (vgl. dazu unten, S. 749). Über direkte Kontakte Max Webers zu Hans Kelsen in der Wiener Zeit ist bisher nichts Genaueres bekannt, allerdings bedachte Max Weber Hans Kelsen mit einem Sonderdruck seiner Schrift „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“ (vgl. die Übersicht über die zu versendenden Sonderdrucke im Brief Max Webers an den Verlag Duncker & Humblot vom 24. Apr. [1918], Verlagsarchiv Duncker & Humblot; MWG II/10). Die thematische Nähe läßt sich auch daran ablesen, daß Kelsen im Wintersemester 1917/18 „Allgemeine Staatslehre, mit bes. Berücksichtigung der Soziologie“ an der Universität Wien las (vgl. Öffentliche Vorlesungen an der k.k. Universität zu Wien. Winter-Semester 1917/18. – Wien: Adolf Holzhausen 1917, S. 9).
2
Dieser beruht auf dem Willen der Beherrschten und wird im Vortrag eng mit der Entstehung der okzidentalen Stadt verbunden. Vgl. unten, S. 755.
3
In der Neufassung der „Herrschaftssoziologie“ für „Wirtschaft und Gesellschaft“ in den Jahren 1919/20 gibt es keinen eigenen vierten Legitimitätstypus, stattdessen wird die „demokratische Legitimität“ dem charismatischen Typus und seiner „herrschafts[746]fremde[n] Umdeutung“ zugeordnet. Vgl. unten, S. 755 f., sowie die Einleitung, oben, S. 86 f.
4
In der älteren Fassung der „Herrschaftssoziologie“ war dieser Gedanke – der „Umschlag“ von der „charismatischen Herrscherakklamation zur eigentlichen Herrscherwahl“ durch die Beherrschten – hingegen nur angedeutet worden.[746] Weber, Die Typen der Herrschaft, WuG1, S. 155 f. (MWG I/23).
5
Dieses Beispiel zeigt, daß der Wiener Vortrag, obwohl uns sein Inhalt nur indirekt durch einen Pressebericht überliefert ist, ein wichtiges werkbiographisches Zwischenglied zwischen der Vorkriegs- und der Nachkriegsfassung der „Herrschaftssoziologie“ bildet. Er liefert entscheidende Anhaltspunkte für inhaltliche und konzeptionelle Änderungen und markiert zugleich den Zeitpunkt, die zweite Jahreshälfte 1917, in der Max Weber die Fäden zur Weiterarbeit an seinem „Grundriß“-Beitrag wiederaufnahm. Weber, Umbildung des Charisma, oben, S. 499–502.
Max Weber wurde bereits im Januar 1917 von dem befreundeten Wiener Kollegen Ludo Moritz Hartmann gebeten, anläßlich einer für Februar angekündigten Vortragsreise von Marianne Weber, selbst einen Vortrag in Wien, u. a. „in der Soziologischen Gesellschaft“, zu halten.
6
Hartmann gehörte zu den Initiatoren der 1907 in Wien gegründeten Gesellschaft, die – im Gegensatz zu der in den Jahren 1909 bis 1911 von Max Weber maßgeblich geprägten „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ – eher einem Diskussionszirkel glich, dessen Mitglieder mehrheitlich dem jüdischen, sozialreformerisch engagierten, universitär aber nicht etablierten Wiener Bildungsbürgertum angehörten. Brief von Ludo Moritz Hartmann an Max Weber vom 22. Jan. 1917, Bestand Max Weber-Schäfer, BSB München, Ana 446. Dort heißt es weiter: „wir haben zwar in Kriegszeiten kein Geld, würden Ihnen aber gerne die Karte II. Kl[asse] Wien-Heidelberg u. retour ersetzen. Ich weiß, daß das kein großartiges Angebot ist; aber ein Schelm gibt mehr, als er hat.“
7
Weber reagierte umgehend auf die Anfrage Hartmanns und bekundete seine prinzipielle Bereitschaft zu sprechen. Als mögliches Vortragsthema nannte er „,Propheten und Rabbinen und die Entwicklung des antiken Judentums‘ (soziologisch)“. Vgl. dazu Fellner, Günter, Ludo Moritz Hartmann und die österreichische Geschichtswissenschaft. Grundzüge eines paradigmatischen Konfliktes. – Wien, Salzburg: Geyer-Edition 1985, S. 287, sowie Fleck, Christian, Rund um „Marienthal“. Von den Anfängen der Soziologie in Österreich bis zu ihrer Vertreibung. – Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1990, S. 41–55. Bedauerlicherweise sind – nach Fleck, S. 41 – von der 1934 aufgelösten Vorgängerinstitution der heutigen „Österreichischen Gesellschaft für Soziologie“ keine Vereinsinterna überliefert.
8
Er kam der „Soziologischen Gesellschaft“ auch bezüglich der zu erwartenden Reisekosten entgegen. Diese sollten hauptsächlich von der offensichtlich finanzstärkeren „Österreichischen Politischen Gesellschaft“ (ÖPG) getra[747]gen werden, deren Mitglied Kommerzienrat Julius Meinl Max Weber ebenfalls zu einem Vortrag in Wien aufgefordert hatte. Dieser Plan scheiterte jedoch aufgrund einiger Mißverständnisse, die insbesondere die Funktion des Korrespondenzpartners Julius Meinl in der ÖPG betrafen, so daß Weber im April 1917 die Wien-Reise wegen der erschwerten Reisebedingungen im Krieg und aus pekuniären Gründen auf den Herbst verschob. Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Jan. 1917, GStA PK, VI. HA Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 3 (MWG II/9).
9
[747] Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 20. April 1917, ebd., Bl. 5 (MWG II/ 9). Über das Mißverständnis schreibt Weber: „es ist mir eigentlich recht peinlich, daß Meinl – den ich für den beauftragten Vorsitzenden hielt – mich durch seine Aufforderung in die Lage gebracht hat, mich in meinem Antwortbrief an ihn so zu sagen ,anzubieten‘, denn darauf kommt nun die Sache praktisch hinaus (Antwort der [Österreichischen Politischen] Gesellschaft erhielt ich natürlich nicht […]).“ Zu weiteren Hintergründen vgl. die ausführliche Studie von Morgenbrod, Birgitt, Wiener Großbürgertum im Ersten Weltkrieg. Die Geschichte der „Österreichischen Politischen Gesellschaft“ 1916–1918. – Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1994, S. 90 f.
Im Spätsommer wurde der Vortragsplan in der Korrespondenz zwischen Hartmann und Weber wiederaufgenommen,
10
gewann nun aber zusätzlich an Dringlichkeit, weil die Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien Max Weber als Nachfolger für einen der beiden vakant gewordenen nationalökonomischen Lehrstühle gewinnen wollte. Der eine Lehrstuhlinhaber, Eugen von Philippovich, war am 4. Juni 1917 gestorben, während der zweite Lehrstuhlinhaber, Friedrich Freiherr von Wieser, wegen seiner Ernennung zum Handelsminister am 30. August 1917 von den Lehrverpflichtungen entbunden worden war. Der geplante Vortrag in der „Soziologischen Gesellschaft“ bot Weber daher einen willkommenen Anlaß, mit den Herren des sogenannten Professoren-Komitées und des österreichischen Unterrichtsministeriums informell zu sprechen. So in den Briefen Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 17. und 24. Sept. 1917, Privatbesitz und GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 7 (MWG II/9).
11
Aus den überlieferten Berufungsakten geht hervor, daß Max Weber in der vorangegangenen Korrespondenz und den Besprechungen mehrfach betonte, daß er „ein größeres soziologisches Werk ,Wirtschaft und Gesellschaft‘ zu zwei Dritteln fertig habe und dasselbe noch weiter fördern wolle, bevor er das Amt übernehmen könne“, Vgl. die Briefe Max Webers an Mina Tobler vom 8. Sept. 1917 (Privatbesitz; MWG II/ 9), sowie an Ludo Moritz Hartmann vom selben Tag (Privatbesitz, Kopie Arbeitsstelle der Max Weber-Gesamtausgabe, BAdW München; MWG II/9). Zu den Berufungsverhandlungen vgl. die ausführliche Darstellung bei Ehrle, Franz-Josef, Max Weber und Wien. – Diss. der Universität Freiburg i. Br. (maschinenschriftlich) 1991, S. 21–43 (hinfort: Ehrle, Max Weber und Wien).
12
und dann im Som[748]mer- oder Wintersemester 1918 über „Wirtschaft und Gesellschaft“ lesen wolle. So wiedergegeben in dem Bericht des Sprechers des Professoren-Komitées, Edmund Bernatzik, vom 24. Sept. 1917, der dem Schreiben der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der k.k. Universität Wien an das k.k. Ministerium für Kultus- und [748]Unterricht vom 28. Sept. 1917 beigefügt war (Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Fasz. 751, 4 C/1, zu den Vorgängen Nr. 32 831, 33 387, S. [8]).
13
Vgl. dazu die Wiedergabe eines Schreibens von Max Weber an den Dekan der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der k.k. Universität Wien vom 31. Okt. 1917 im Schreiben des Dekans Hans von Voltelini an das k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht vom 21. Nov. 1917, ebd. (zu den Vorgängen Nr. 39 798 und 42 109), S. [6]. – Auch gegenüber dem Verleger Paul Siebeck, den er über die anstehende Berufung informierte, versicherte Max Weber: „Ich lese: mein Buch für den Grundriß. Das wird ihm nützen und die Fertigstellung beschleunigen“, Brief Max Webers an Paul Siebeck vom 26. Nov. 1917, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG II/9).
Daß die mit Kriegsausbruch abrupt abgebrochene Arbeit an dem großangelegten Beitrag für den „Grundriß der Sozialökonomik“ nun wieder eine Rolle spielte, läßt sich auch einem Brief Max Webers vom 24. September 1917 entnehmen. Darin bot er als neues Thema für den Vortrag in der „Soziologischen Gesellschaft“ – neben der anfangs vorgeschlagenen Behandlung des „Antiken Judentums“ – Ausführungen zur „Problematik der soziologischen Staatslehre“ an.
14
Ludo Moritz Hartmann präferierte für den Vortrag in der „Soziologischen Gesellschaft“ das zweite Thema, das er irrtümlicherweise als „sozialistische Staatslehre“ entziffert hatte. Weber korrigierte ihn daher: „Also: ,Probleme der Staatssoziologie‘ oder ,der soziologischen Staatslehre‘ (nicht: der ,sozialistischen‘ St.L.) heißt das Thema.“ Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 24. Sept. 1917, GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 9 (MWG II/9).
15
Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 7. Okt. 1917, Privatbesitz (MWG II/ 9).
Am Abend des 23. Oktober 1917 reiste Max Weber in Wien an und blieb bis zum 30. Oktober.
16
Der Vortrag wurde in mehreren Tageszeitungen – neben der sozialdemokratischen „Arbeiter-Zeitung“ vorrangig in liberalen Blättern – angekündigt. Vgl. den Brief Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 10. und 19. Okt. 1917, GStA PK, VI. HA, Nl. Max Weber, Nr. 15. Bl. 12, 14 (MWG II/9).
17
in der führenden liberalen „Neuen Freien Presse“ hieß es am 25. Oktober 1917 in der Abendausgabe unter der Sparte „Vorträge und Versammlungen“: „Soziologische Gesellschaft, 7 Uhr, Währingerstraße 13, Professor Dr. Max Weber aus Heidelberg: ,Probleme der [749]Staatssoziologie‘“. Zuerst in: Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratie in Österreich, 29. Jg., Nr. 288 vom 20. Okt. 1917, Mo.Bl., S. 9, unter der Rubrik „Vereine und Vorträge“, hier mit dem Hinweis, daß der Vortrag im „großen Hörsaal des Anatomischen Instituts“ stattfinden werde und Gastkarten in der Soziologischen Gesellschaft, Jacquingasse Nr. 45, zu erhalten wären; dann in: Österreichische Volks-Zeitung, 63. Jg., Nr. 263 vom 25. Okt. 1917, S. 6, und in: Fremden-Blatt, 71. Jg., Nr. 293 vom 25. Okt. 1917, Ab. Bl., S. 3.
18
Die Morgenausgabe des nachfolgenden Tages berichtete dann in einem namentlich nicht gekennzeichneten Artikel unter der Rubrik „Der Economist“ ausführlich über den Vortrag, den „der Honorarprofessor der Volkswirtschaft in Heidelberg Doktor Max Weber“ in der „Soziologischen Gesellschaft“ gehalten habe.[749] Neue Freie Presse Wien, Nr. 19 101 vom 25. Okt. 1917, Ab. Bl., S. 1.
19
Der offensichtlich gut unterrichtete Journalist lancierte in seiner kurzen Einführung zum Vortragsbericht einige Interna zum Stand der universitären Berufungsverhandlungen: „Professor Max Weber gehört zu den hervorragendsten und verdienstvollsten Lehrern der Volkswirtschaft in Deutschland. Dieser seiner Bedeutung hat die juristische Fakultät an der Wiener Universität Rechnung getragen, indem sie ihn vor kurzem unico loco zur Berufung an die Stelle des verstorbenen Hofrates Professor v. Philippovich in Vorschlag brachte. Professor Max Weber hat die Berufung noch nicht angenommen, es ist aber Aussicht vorhanden, daß er im nächsten Jahre in Wien Vorlesungen halten wird.“ Neue Freie Presse Wien, Nr. 19 102 vom 26. Okt. 1917, Mo.Bl., S. 10, Sp. 1.
20
Ebd., S. 10, Sp. 1. Sehr zum Verdruß von Max Weber hatte die „Neue Freie Presse“ bereits am 9. Okt. 1917 (Nr. 19 085, Mo.Bl., S. 7 unter der Rubrik „Kleine Chronik“) die Berufungssache publik gemacht. Vgl. dazu die Briefe Max Webers an Ludo Moritz Hartmann vom 10. und 12. Okt. 1917, GStA PK. VI. HA. Nl. Max Weber, Nr. 15, Bl. 12, 13 (MWG II/9).
Daß der Vortrag gerade wegen der laufenden Berufungsverhandlungen von öffentlichem Interesse war, belegt die Nennung einiger prominenter Zuhörer, mit der der Vortragsbericht endete: „Dem Vortrage wohnten unter anderen Unterrichtsminister Cwiklinski, Handelsminister Freiherr v. Wieser, Geheimer Rat Dr. v. Spitzmüller, die Professoren Freiherr v. Schey, Bernatzik, Hupka, Grünberg, Walter Schiff, Redlich und Tandler bei.
21
Den Ausführungen des Gelehrten, die allseitigem Interesse begegneten, folgte lebhafter Beifall.“ Es handelt sich um Ludwig Cwiklinski (1853–1943), Unterrichtsminister von August 1917 bis Juli 1918, Friedrich Frhr. von Wieser (1851–1936), Handelsminister von August 1917 bis Oktober 1918, Alexander von Spitzmüller-Harmersbach (1862–1953), Finanzminister (1916–18); von den genannten Professoren gehörten Josef Frhr. Schey von Koromla (1853–1938), Edmund Bernatzik (1854–1919), Josef Hupka (1875–1944) und Carl Grünberg (1861–1940) der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien an, während der Jurist Josef Redlich (1875–1936) zum Zeitpunkt des Vortrags vorrangig politisch aktiv war und Julius Tandler (1869–1936), der Direktor des Anatomischen Instituts in der Währingerstr. 13, zugleich als Hausherr der Veranstaltung zugegen war. Max Weber hatte die Professoren Grünberg, Schiff und von Wieser als GdS-Mitarbeiter geworben.
22
Der Rechts- und Staatswissenschaftler Josef Redlich vermerkte einige Tage später in seinem Tagebuch: „Donnerstag [750]abend ein brillanter Vortrag Professor Max Webers (Heidelberg) in der Soziologischen Gesellschaft. Freitag abend Weber bei mir. Er wird für die Sommermonate an die Universität nach Wien kommen, vielleicht bleibt er dann dauernd als Nachfolger Philippovichs.“ Neue Freie Presse Wien, Nr. 19 102 vom 26. Okt. 1917, Mo.Bl., S. 10, Sp. 2.
23
Max Weber hielt dann im Sommersemester 1918, von April bis Juli, eine zweistündige Vorlesung über „Wirtschaft und Gesellschaft“ und ein damit verbundenes Kolloquium für fortgeschrittene Hörer.[750] Schicksalsjahre Österreichs 1908–1919. Das politische Tagebuch Josef Redlichs, Band 2: 1915–1919, bearb. von Fritz Fellner. – Graz, Köln: Hermann Böhlaus Nachfolger 1954, S. 240 = Eintrag vom Sonntag, den 28. Okt. 1917. Den Hinweis verdanke ich der Studie von Ehrle, Max Weber und Wien (wie oben, S. 747, Anm. 11), S. 89. – Als Weber am 30. Oktober 1917 aus Wien abreiste, waren die Verhandlungen mit der Fakultät offensichtlich so weit vorangeschritten, daß die Tageszeitungen darüber berichteten, so die beiden liberalen Zeitungen: Die Zeit, Wien, 16. Jg., Nr. 5424 vom 30. Okt. 1917, Ab. Bl., S. 3, und Das Neue Wiener Journal, 25. Jg., Nr. 8622 vom 31. Okt. 1917, S. 6, sowie die konservativ-katholische Reichspost, 24. Jg., Nr. 503 vom 30. Okt. 1917, Nachmittagsausgabe, S. 3 (MWG I/13).
24
Er hatte sich in den Verhandlungen erbeten, probeweise zu lesen und erst dann zu entscheiden, ob er den Ruf annehmen könne. Dies geht aus den Quästurlisten der Juristischen Fakultät der Universität Wien für das Sommersemester 1918 hervor, Universitätsarchiv Wien. Die Vorlesung war im Vorlesungsverzeichnis nur einstündig angekündigt.
25
Bereits am 17. Mai 1918 teilte Max Weber dem Juridischen Dekanat in Wien mit, daß er seine Lehrtätigkeit nach Ablauf des Semesters nicht fortzusetzen gedenke. Vgl. die Unterlagen zur Berufung Max Webers vom 21. November 1917, k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht, Nr. 39 798 und 42 109 des Jahres 1917, Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Fasz. 751, 4 C/1 (MWG I/13).
26
Vgl. die Immediateingabe Max Webers vom 17. Mai 1918 in den Unterlagen des Ministeriums für Kultus und Unterricht, Nr. 19 226 und 20 041 des Jahres 1918, ebd., Fasz. 752, 4 C/1 (MWG I/13).
Zur Überlieferung und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Bericht, der unter der Überschrift „Ein Vortrag Max Webers über die Probleme der Staatssoziologie“ in der Neuen Freien Presse Wien, Nr. 19 102 vom 26. Oktober 1917, Mo.Bl., S. 10, Spalte 1–2 (A), unter der Rubrik „Der Economist“, erschienen ist. Der Artikel ist namentlich nicht gekennzeichnet. Es konnte nicht geklärt werden, ob der Artikel auf einem Stenogramm beruhte und von Max Weber autorisiert worden ist.
[751]Weitere Zeitungsberichte oder persönliche Aufzeichnungen der anwesenden Zuhörer über den Vortragsinhalt konnten trotz eingehender Recherchen nicht aufgefunden werden.
Emendiert wurden – außer den sonst üblichen Eingriffen – inhaltliche Fehlzuschreibungen, wie die Charakterisierung des charismatischen Herrschers durch seine „alltäglichen“ statt seiner – wie es im Sinne Webers richtig heißen müßte – „außeralltäglichen Qualitäten“
27
oder der Stadt als „historische[r] Komponente der modernen politischen Wirtschaftsformen“ statt der – offensichtlich gemeinten – „politischen Herrschaftsformen“.[751] Vgl. unten, S. 755 mit textkritischer Anm. d.
28
Vgl. unten, S. 756 mit textkritischer Anm. g.